Marianne Fam
Dissertation: Gleichberechtigt, aber nicht gleichgestellt? Eine qualitative Interviewstudie über die
Herausforderungen als Frau in Führungspositionen der Chirurgie
Die Frauenquote unter den Student*innen der Medizin steigt seit einigen Jahren in Deutschland
weiter an. Seit 1999 studieren in Deutschland sowohl in der Human- als auch Zahnmedizin mehr
Frauen, als Männer. Diese Steigerung stellt vor allem in Betracht auf historische Entwicklungen der
Frauenrolle in der Medizin einen ganz besonderen und wichtigen Wandel in unserer heutigen
Gesellschaft dar, zumal frühestens 1901 die ersten medizinischen Universitäten in Deutschland bereit
waren Frauen zum Studium zuzulassen, und ihnen erst ab 1920 die Erlaubnis erteilt wurde an
Universitätskliniken zu habilitieren. Beobachtet man bei zugelassenen Student*innen an
medizinischen Hochschulen und approbierten Assistenzärzt*innen eine deutliche Zunahme des
Frauenanteils, sind die Zahlen der weiterführenden Positionen jedoch ernüchternd. Das Statistische
Bundesamt Deutschlands hielt in einem Bericht zu den „Grunddaten der Krankenhäuser“ im Jahr 2019
die Zahlen der ärztlichen Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen tabellarisch und geschlechtlich
getrennt fest. Dabei wird schnell ersichtlich, dass eine deutliche geschlechtliche Diskrepanz unter den
einzelnen Disziplinen einerseits und den Positionen innerhalb einer medizinischen Fachrichtung
andererseits vorherrscht.
Das Bild der Frau, wie es im 19. Jahrhundert noch existierte, hat sich in der europäischen Gesellschaft
drastisch verändert. Jedoch ist die Emanzipation der Frau keinesfalls eine ohne Protest und
Widerstand vonstatten gegangene Entwicklung gewesen. Frauen gingen auf die Straße mit
Forderungen zur Gleichberechtigung, sie mussten sich aktiv gegen die gesellschaftlichen Normen
setzen und sich von der Rolle ihres Geschlechts, wie sie damals vorgeschrieben wurde, abgrenzen.
Braucht es nun eine erneute Anpassung und Definition der Bedeutung von Geschlechterrollen in
unserer Gesellschaft, um die geschlechtlichen Diskrepanzen endgültig zu beseitigen? Oder ist der
Führungswunsch von Frauen und damit auch die Forderung nach Veränderung nicht ausreichend
genug vorhanden?
Diese Dissertation soll sich mit der Fragestellung befassen, durch welche Faktoren der
Karriereaufstieg von Chirurginnen erschwert wird und inwiefern ein Erreichen höhere Positionen trotz
dieser Faktoren von Frauen erreicht werden kann. Dabei möchte ich insbesondere der Frage
nachgehen, ob es besonderen Einstellungen, Denkweisen oder gar bewussten Aufopferungen bedarf,
um als Frau eine chirurgische Leitstelle heutzutage übernehmen zu können.
Mithilfe qualitativer Interviews von Chefärztinnen und (leitenden) Oberärztinnen der Chirurgie
möchte ich die persönlichen Erlebnisse und Empfindungen der führenden Frauen in chirurgischen
Fächern erfassen, die einen tieferen Einblick hinter die Kulissen der ansonsten dominant statistischen
Darstellung von geschlechtlichen Rollenverteilungen innerhalb der Medizin geben sollen. Weiterhin
möchte ich durch qualitative Interviews mit chirurgischen Assistenzärztinnen und auszubildenden
Medizinstudentinnen verschiedene Blickwinkel auf die Faktoren einer chirurgischen Karriere für
Frauen miteinbeziehen, um eventuelle generationsspezifische Herausforderungen erfassen zu können.
Mein Ziel ist es, mit der Dissertation in erster Linie die erschwerten Bedingungen von Frauen beim
Erlangen von Führungspositionen in der Chirurgie zu kontextualisieren und im Hinblick auf die
Erfahrungs- und Erlebnisberichte von Expertinnen detaillierter zu verstehen. Dabei hoffe ich, dass die
Studie einen aufschlussreichen Beitrag in der Debatte um „Frauen in Führungspositionen“ in
Deutschland leisten kann, insbesondere in Betracht auf die Aufarbeitung von Lösungsansätzen,
welche die zuständigen Faktoren womöglich eines Tages beseitigen können. Zukünftigen
Generationen von Medizinstudent*innen hoffe ich weiterhin mit meiner Dissertation ermutigen zu
können, sich der Diskussion um Geschlechterunterscheidungen bei Führungsrollen anzuschließen.
Betreuung: Prof. Lisa Malich