Alexandra Ridder
Transnationales assistiertes Sterben. Eine qualitative Pilotstudie.
Der Ausdruck Transnationales assistiertes Sterben (TAS) soll dem Phänomen, dass Sterbewillige ins Ausland reisen, um dort Suizidbeihilfe zu erhalten, einen Namen geben. Das bekannteste „Reiseziel“ des sogenannten Sterbetourismus ist die Schweiz, wo vier Sterbehilfeorganisationen unter bestimmten Bedingungen auch Ausländern beim Sterben helfen. Von diesen vier Organisationen veröffentlicht nur Dignitas Zahlen über ihre Tätigkeit: So begleitete Dignitas 2014 80 und 2015 86 Deutsche in den Tod. Ende 2015 trat in Deutschland das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in Kraft, sodass seitdem die geschäftsmäßige Sterbehilfe, wie sie hierzulande nur der Verein Sterbehilfe Deutschland anbot, unter Strafe steht. Da die Auslegung des Begriffs der Geschäftsmäßigkeit selbst unter Juristen umstritten ist und es also keine Rechtssicherheit für Sterbehelfer gibt, könnten in Zukunft möglicherweise noch mehr Sterbewillige den Weg in die Schweiz (oder auch in die Benelux-Länder, wo Ausländern ebenfalls unter bestimmten Bedingungen Sterbehilfe gewährt wird) wählen.
Diese qualitative Pilotstudie soll die ethisch relevanten Themen herausarbeiten, die die Sterbewilligen sowie ihre An- und Zugehörigen im Rahmen von TAS beschäftigen. Besonders interessiert uns dabei, welche Fragen über den assistierten Suizid an sich hinaus gestellt werden, die spezifisch für TAS sind. Welches sind die moralisch relevanten Fragen, die Betroffene und Beteiligte in diesen Situationen stellen? Mit welchen ethischen Problemen sehen sie sich konfrontiert? Wie reflektieren An- und Zugehörige von Menschen, die im Ausland Sterbehilfe erhalten haben, den Diskurs und die Ereignisse in Deutschland? Bioethische sowie nicht-wissenschaftliche Literatur, Dokumentationen und Spielfilme geben hier schon einige Hinweise: Die Sterbewilligen können gezwungen sein, ihr Leben unter anderen Umständen zu beenden, als sie es sich eigentlich wünschen – nicht in ihrem Zuhause und zu früh, weil sie noch reisefähig sein müssen. Für die An- und Zugehörigen ist die Rückreise, ohne den dann Verstorbenen, emotional sehr belastend.
Diese Studie soll neben einigen Experten (z. B. in der Schweiz tätige Sterbehelfer, ärztliche Gutachter) v. a. die betroffenen An- und Zugehörigen zu Wort kommen lassen. Sie ist als qualitative Pilotstudie mit fünf retrospektiven Interview-Fallstudien angelegt, pro Fall werden möglichst mehrere An- und/oder Zugehörige befragt. Neben Ausgangspunkten für mögliche weitere Forschung erhoffen wir uns von der Studie außerdem erste „TAS-bezogene“ Fingerzeige, die in der andauernden ethischen Sterbehilfe-Debatte zur Klärung beitragen können.
Betreuung: Prof. Christoph Rehmann-Sutter