Carola Roeder
Dissertationsprojekt: Normative Konflikte um den ärztlich assistierten Suizid in Deutschland 2004-2011.
Anfang 2011 sind die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung grundlegend überarbeitet worden. Eine der Änderungen betrifft den ärztlich assistierten Suizid. In der Lesart mancher Kommentatoren sind die neuen Normen gegenüber den vorgängigen in der Fassung von 2004 in Bezug auf die ärztliche Beihilfe zum Suizid liberaler geworden. Es gab aber über die Auslegung der Grundsätze deutlich unterschiedliche Meinungen. Der Deutsche Ärztetag hat kurz darauf, im Juni 2011, die normative Unklarheit beseitigt und die ärztliche Beihilfe zum Suizid verboten. Damit sind viele Fragen aufgeworfen worden, denen dieses Dissertationsprojekt aus einer historischen, gesellschaftstheoretischen und ethischen Perspektive auf den Grund gehen möchte.
Warum sah die Bundesärztekammer die Notwendigkeit gegeben, die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung im Jahr 2011 zu überarbeiten? Inwieweit haben sich die Leitlinien von 2004 zu 2011 überhaupt verändert, bzw. wie sind die Änderungen in der Öffentlichkeit und innerhalb der Ärzteschaft wahrgenommen und interpretiert worden? In Deutschland herrscht nicht erst seit diesem Jahr eine Debatte um den ärztlich assistierten Suizid. Sie wird von unterschiedlichsten Beteiligten geführt und interpretiert, und es stellt sich die Frage, welche Beweggründe die einzelnen Parteien in der Debatte haben und worauf sich ihre Positionen begründen. Gibt es vielleicht sogar innerhalb der Ärztekammer unterschiedliche Strömungen und differenzierbare Motive, die sich in den neuen Leitlinien widerspiegeln?
Was ist zwischen der Veröffentlichung der neuen Leitlinien und dem Deutschen Ärztetag passiert und was hat die Bundesärztekammer auf ihrer Hauptversammlung dazu bewegt, den Beschluss in dieser Form zu fassen. Was sind die erkennbaren Hinter- und Beweggründe hierfür gewesen? Wie ist die Bedeutung eines solchen Beschlusses einzuschätzen und wie wird er von unterschiedlichen, an der Diskussion beteiligten Gruppierungen und Personen wahrgenommen und interpretiert?
Die Klärung dieser Problematik vor dem Hintergrund verfahrensethischer und konflikttheoretischer Überlegungen und das Aufweisen möglicher Lösungsansätze auf dem Weg der Entscheidungsfindung der Ärzteschaft in der Debatte um den ärztlich assistierten Suizid sollen Gegenstand dieser Dissertation sein. In einem zeitgeschichtlichen, empirischen Teil sollen verfügbare Dokumente mit Methoden der Inhaltsanalyse ausgewertet und Experteninterviews geführt werden. In einem theoretisch-reflexiven Teil soll die dadurch aufgeworfene sozial- und politisch-ethische Problematik exploriert und strukturiert werden.
Betreuung: Prof. Christoph Rehmann-Sutter