Lina Busch
Dissertationsprojekt: Die ethische Wahrnehmung der Stammzelltransplantation von Kindern auf Familienmitglieder in Deutschland seit ihrer Einführung bis heute.
In diesem medizinhistorisch-ethischen Projekt soll untersucht werden, wie sich die Wahrnehmung der ethischen, moralischen und rechtlichen Problematik um Kinder als Stammzellspender in der Zeit seit ihrer Einführung in den 1990er Jahren bis heute entwickelt und verändert hat. Es geht sowohl um die Spende von Knochenmark als auch um die Spende von peripheren Blutstammzellen von Kindern an Familienmitglieder. Die Perspektiven der involvierten Fachleute (Ärzte), die Perspektive der Regulierung (Politik und Gesetzgebung) und die Perspektive der Öffentlichkeit (ausgewählte Medien) sollen besonders untersucht werden. In diesen Perspektiven interessiert besonders ihre ethische Wahrnehmungsweise.
Der heutige Wissens- und Forschungsstand macht es möglich, schwere, unbehandelt oft tödlich verlaufende Krankheiten, wie zum Beispiel Leukämie, durch die Transplantation von Stammzellen zu heilen. Nötig ist dazu allerdings ein passender Spender. Häufig sind es die Geschwister der Erkrankten, welche die für die Spende nötigen Übereinstimmungen der Gewebemerkmale aufweisen. Wenn der passende Spender noch ein Kind ist, wird eine Reihe von besonderen ethischen und rechtlichen Fragen aufgeworfen. Die Entnahme von Knochenmark und der Zugriff in die Blutbahn sind für das Kind keine einfachen, harmlosen Eingriffe. Sie bergen Unannehmlichkeiten und Risiken, die für ein Kind belastend sein können. Darf man diese einem Kind zumuten?
Welche Fragen wurden wie gestellt? Etwa diese Fragen: Dürfen Kinder als Stammzellspender „benutzt“ werden, um erkrankte Familienangehörige zu „retten“? Wird das Kind zum „Ersatzteillager“ für ein Geschwister? Ist ein Eingriff ohne medizinische Indikation oder Nutzen für die Betroffenen eine Körperverletzung oder gibt es möglicherweise einen „psychologischen Nutzen“ für die Spenderkinder, der den Eingriff in der Sicht der Akteure rechtfertigt? Das Projekt untersucht, wie solche Fragen gestellt wurden, in welchen Frames sie wahrgenommen wurden, wie die Problematik als ein Problem für die medizinische Ethik und für die gesetzliche Regulierung konstruiert wurde.
Die komplexen gesellschaftlichen, familiären, psychologischen, ethischen und rechtlichen sowie die medizinhistorischen Implikationen der kindlichen Stammzellspende sind bisher in Deutschland wenig untersucht worden. Die Verabschiedung des Transplantationsgesetztes 1997 und seine Überarbeitung 2007, mit der das Spenden von Knochenmark eine neue Regelung fand, markieren wichtige Einschnitte, auch bezüglich der Frage nach kindlichen Knochenmarkspenden.
Durch die Recherche und Analyse einschlägiger Dokumente, aber auch mit Experteninterviews mit Personen, die damals unmittelbar mit der Thematik beschäftigt waren oder es heute sind (oral history), soll die Wahrnehmung der ethischen Herausforderung und der Umgang mit einer kindlichen Stammzellspende im historischen Verlauf exploriert werden.
Knochenmark- und Blutstammzellspende von Kindern an Familienmitglieder: Das Kindeswohl im ethischen Konflikt.
Projektverantwortliche:
Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter
Prof. Dr. Christina Schües
Bei Krankheiten, die mit einer Transplantation von hämatopoietischen Stammzellen behandelt werden können, gibt es einen grundlegenden rechtlichen und ethischen Konflikt: Das Wohl des einen Geschwisterkindes ist nicht gleichbedeutend mit dem Wohl des anderen. Der Eingriff, der zur Spende von Knochenmark- oder peripheren Blutstammzellen notwendig ist, hat in Bezug auf das Spenderkind keine medizinische Indikation. Die Indikationsstellung liegt allein beim Empfängerkind.
Zur Dissertationsschrift: www.zhb.uni-luebeck.de/epubs/ediss1712.pdf