Sterbewünsche von palliativ versorgten Menschen in schwerer Krankheit
Transnationales assistiertes Sterben. Eine qualitative Pilotstudie
Dissertationsprojekt von Alexandra Ridder
Transnationales assistiertes Sterben (TAS) gehört zum Bereich der Sterbehilfe und meint, dass Sterbewillige von einem Land in ein anderes reisen, um dort eine Form von assistiertem Sterben in Anspruch zu nehmen, die im eigenen Land aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Von Deutschland aus reisen Menschen auf der Suche nach Suizidbeihilfe in die Schweiz und in die Benelux-Länder. Dort ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, legal Suizidbeihilfe zu leisten. In der Schweiz, als bekanntestem Reiseziel des „Sterbetourismus“, ist Suizidassistenz straffrei, solange sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven geschieht. Vier Sterbehilfeorganisationen (Dignitas, EXIT International, Life Circle, Liberty Life) helfen auch Ausländern; mit Dignitas starben 2014 80 Deutsche, 2015 86. Der Deutsche Bundestag nahm am 06.11.2015 das Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung an, das die geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellt. Am 26. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht allerdings den entsprechenden § 217 StGB wieder aufgehoben.
Diese qualitative Pilotstudie soll mit einem empirisch-ethischen Forschungsansatz die ethisch relevanten Themen herausarbeiten, die die Sterbewilligen, wie auch ihre An- und Zugehörigen beschäftigen. Besonders interessiert, welche Fragen über den assistierten Suizid an sich hinaus gestellt werden, die spezifisch sind für TAS. Welches sind die moralisch relevanten Fragen, die Betroffene und Beteiligte in diese Situationen stellen? Mit welchen ethischen Problemen sehen sie sich konfrontiert? Wie reflektieren An- und Zugehörige von Menschen, die „in die Schweiz (oder in eines der Benelux-Länder) gereist“ sind, den Diskurs und die Ereignisse in Deutschland?
Dokumentationen sowie vorhandene bioethische (wie auch nicht-wissenschaftliche) Literatur geben dazu schon einige anekdotische Hinweise: Die Sterbewilligen können gezwungen sein, ihr Leben unter anderen Umständen zu beenden, als sie es sich eigentlich wünschen – nicht zu Hause und zu früh, weil sie noch reisefähig sein müssen. Für die An- und Zugehörigen ist vor allem die Rückreise, ohne den dann Verstorbenen, emotional sehr belastend.
Diese Studie soll in einem strukturierten Gesprächssetting die betroffenen Familienmitglieder zu Wort kommen lassen. Sie ist als qualitative Pilotstudie mit fünf retrospektiven Interview-Fallstudien angelegt, pro Fall werden möglichst mehrere An- und/ oder Zugehörige befragt. Die Interviews beginnen narrativ und beziehen im weiteren Verlauf einen semistrukturierten Leitfadens ein; die Auswertung erfolgt im Stil der Interpretative Phenomenological Analysis.